Christoph Migazzi-Haus
Am Areal des heutigen Klosterparks befand sich seit dem 12. Jahrhundert eine Burganlage, die später einem Schlossbau wich, dessen Aussehen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch eine Abbildung in der Topographia Archiducatus Austriae inferioris des Georg Matthias Vischer aus dem Jahr 1672 überliefert ist. Das Schloss war in der Hand wechselnder Herrschaftsbesitzer, 1622 wird es als ruinös bezeichnet, im Türkensturm 1683 wurde es niedergebrannt. Die wiedererrichtete Anlage wurde 1733 zusammen mit der Herrschaft Neudorf von den Herren von Königsakher an das Erzbistum Wien unter Erzbischof Siegmund Graf Kollonitz (1716-1751) verkauft. Kollonitz’ zweiter Nachfolger war Christoph Anton Migazzi (1757-1803), dem Wiener Neudorf seine neue Kirche verdankt.
Die Revolution des Jahres 1848 brachte als bleibenden Erfolg das Ende des Feudalstaats und damit des grundherrschaftlichen Systems. 1853 wurde das Schlossgelände vom Erzbistum an den Staat verkauft, der darauf eine „Weiberstrafanstalt“ einrichtete. Führung und Aufsicht wurden der Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten übertragen, einem Frauenorden, der in Frankreich entstanden war. Nutzte man zunächst noch das Schlossgebäude, so wurden ab 1856 von den Architekten Josef Schmalzhofer und Bruno Buchwieser weitere Baulichkeiten errichtet, darunter die Anstaltskirche.
Die Strafanstalt sollte bis 1938 bestehen. In der Folge wurde eine Polizeischule eingerichtet, dann die Anlage in ein Lazarett umgewandelt. Mit Kriegsende beschlagnahmte die Rote Armee das Gelände, das sie erst 1949 frei gab. Es wurde in der Folge von den zurückgekehrten Schwestern ein Kindergarten eingerichtet, dem ein Kinderheim für „Sozialwaisen“ und eine Sonderschule folgten. Die Schwestern nahmen auch ihre Arbeit mit einer Erziehungsanstalt wieder auf, wobei sie sich der Resozialisierung weiblicher Jugendlicher widmeten (Anstalt für erziehungsbedürftige Mädchen, eröffnet am 26. April 1951); später wurde die Anstalt als Höhere Lehranstalt und Studentinnenheim geführt. 1973 endete der Klosterbetrieb. 1972 hatte der Staat das Gelände übernommen, das in der Folge auch dem Einsatzkommando der Gendarmerie (Cobra) als Übungsgelände diente. In zwei Abschnitten (1992 und 1996) erwarb schließlich die Gemeinde Wiener Neudorf das Areal.
Im Zug der Neugestaltung wurde ein Großteil der desolaten Gebäude (Gefangenenhaus, Wirtschaftshof) abgerissen. Ein Teil des ehemaligen Klostergebäudes („Gelbes Haus“) aus dem späten 19. Jahrhundert wurde 2009-2011 renoviert und in ein neu entstandenes Seniorenzentrum integriert (Schlossmühlplatz 3). Ein weiteres Objekt („Rosa Haus“) wurde saniert und bildet seit 1998 den Standort für den Polizeiposten und den Rettungsdienst (Hauptstraße 64).
Der ehemalige Schwesterntrakt am Mödlingbach hatte noch im 20. Jahrhundert verschiedene Veränderungen erfahren; so wurde auch eine öffentlich zugängliche Kapelle eingebaut, die heute das Gemeindearchiv beherbergt. In dem verbliebenen, völlig neugestalteten Komplex sind seit 2003 auch die Musikschule, ein Veranstaltungssaal, die Gemeindebücherei und Vereinsräumlichkeiten untergebracht. Das Objekt wurde „Christoph-Migazzi-Haus“ benannt und am 15. Juni 2003 eröffnet.